Alte Freunde, anderes Leben, Zweifel & was das bevorstehende 20-jährige Abitur-Jubiläum in mir auslöst.
Was mir meine Zweifel und Hemmungen vor dem 20-jährigen Abi-Jubiläum schlussendlich genommen hat, ist gar nicht so einfach in Worte zu fassen. Dieser Text ist daher vermutlich mehr für mich als für euch.
Meine Studi-Mädels
Meine Freunde aus dem Studium kenne ich bereits seit zwanzig Jahren. Als wir uns damals in der O-Woche an der WWU kennenlernten, waren wir gerade erst 19 bzw. 20 Jahre alt. In diesen Jahren ist viel passiert. Wir haben Beziehungen und Trennungen erlebt, Kinder geboren und auch einige sehr schmerzhafte Erlebnisse überstanden. Viele Jahre haben wir uns intensiv und häufig gesehen und dann kam das Leben mit Jobs und Kindern.

Jetzt treffen wir uns meist mit so viel Anhang, dass kaum Zeit für richtige Gespräche bleibt. An einem Wochenende im Februar haben wir uns in einem Haus in der Natur getroffen und fast ununterbrochen geredet. Wir haben aufgeholt, was so lang auf der Strecke blieb. Wir feierten unsere 20-jährige Freundschaft. Das war bewusst geplant und ich habe mich darauf sehr gefreut. Es hat mir gut getan und uns näher gebracht.
20-jähriges Abitur-Jubiläum
Dieses Jahr wird es aber noch ein weiteres Jubiläum geben. 20 Jahre Abitur. Surreal. In dem alten Dorf wohne ich seit 20 Jahren nicht mehr, zuletzt war ich vor 10 Jahren dort – zum zehnjährigen Abi-Jubliäum. Dekaden!
Doch wenn ich die Profilbilder in der Whatsapp Gruppe durchschaue erkenne ich sofort die Gesichter. Die alten Geschichten sind noch immer präsent. Die Frauen scheinen nicht gealtert zu sein (ist bestimmt die gute Landluft) und die Männer haben zum Teil nur ihre Haare verloren.
Anders als mit meinen Freunden aus dem Studium habe ich hier nicht die Lebensläufe über die Jahre miterlebt. Es fühlt sich an wie eine Zeitreise.
Wir sind angekommen
Was mir schnell bewusst wird ist der Unterschied von vor zehn Jahren. Beim letzten Treffen waren wir jung und gerade dabei unseren Weg in der Welt zu markieren. Viele hatte ich damals schon zum ersten Mal seit der Abiturfeier gesehen. Vor zehn Jahren hatten wir noch etwas zu beweisen, wir wollten beeindrucken mit den Geschichten des bereits Erreichten und den Plänen, die wir schmiedeten. Ich erinnere mich, dass einige bereits mit viel Sensationslust von ihren Geburten berichteten und wieder andere gerade erst mit dem Studium abschlossen.

Wie beim Vortrag von C. Steinhard über Kommunikation 2020 beim Müsntercamp 2019.
10 Jahre weiter sind wir alle bereits um die Vierzig und das Leben sieht wieder ganz anders aus. Wir sind im Leben angekommen. Manche komplettierten in dieser Zeit ihre Familie und andere bereisten die Welt. Einige von uns mussten schwere Wege gehen und Trennungen oder Todesfälle verkraften, während manch einer doch noch ins Familienunternehmen einstieg, um die Eltern zu entlasten.
Will ich da überhaupt hin?
Bisher habe ich die Entscheidung, ob ich an diesem Treffen teilnehmen möchte oder nicht, vor mir hergeschoben.
Die Schulzeit und vor allem die Oberstufe war eine furchtbar stressige Zeit. Ich glaube, alle Jugendlichen in dem Alter versuchen irgendwie herauszufinden wer sie sind und wer sie sein wollen. Häufig wollen sie aber einfach nur dazu gehören oder zumindest nicht auffallen. Das ist für viele wohl eine der intensivsten Phasen im Leben.
Es gab auch bei uns Cliquen und Lästereien, Noten und Liebeskummer. Doch mir wird jetzt klar: Nichts davon ist noch wichtig. Es spielt keine Rolle mehr, ob du ein Musterschüler warst oder besonders beliebt. Es ist völlig egal, ob du der angehimmelte Athlet warst oder der graue Nerd mit Aktentasche.
Die Einsicht
Zwanzig Jahre später ist nichts davon mehr wichtig. Erfolg wird auch nicht mehr, wie vielleicht zehn Jahre zuvor noch, anhand der Höhe deines Gehalts gemessen. Deine akademischen Titel und die Zahl deiner Angestellten spielt keine große Rolle mehr. Dieses Abitur-Jubiläum erreicht uns in einer komplett anderen Lebensphase.
Wichtig ist nur noch das, was mir selbst als bedeutend erscheint. Schaffe mein Leben wirklich zu leben? Kann ich auf meine Tage zurückblicken und zufrieden sein mit dem wie ich bin? Bist ich mir selbst treu?

Das sind die einzigen Fragen, die mir jetzt noch wichtig erscheinen. Ich möchte nicht in einem Leben stecken, das mehr Zwang und Pflicht ist als Lust und Freude. Die Möglichkeit meine Lebensqualität hoch zu halten ist mir mehr wert, als irgendwelche Zugeständnisse an fremden Erwartungen zu machen. Ich wünschte, ich hätte das schon damals in der Schulzeit so sehen können.
Wenn ich jetzt meine Abizeitung in die Hand nehme, fühle ich Nostalgie in mir aufsteigen. Ganz im Gegensatz zu damals, muss ich jetzt nichts mehr beweisen. Ich muss niemandem mehr gefallen. Stattdessen freue ich mich darauf bei diesen Abitur-Jubiläum die Kontakte wieder neu zu beleben. Und ich freue mich auf die Gelegenheit Menschen zu begegnen, die ich damals vielleicht gar nicht richtig kannte.
Unsere Gespräche mögen sich dieses Jahr mehr Richtung Kinder, Carports und Krampfadern bewegen, aber eigentlich sind wir ja noch immer wir.
Die Autorin dieses Beitrags
Leila schreibt seit 2014 über Familie, Food und Reisen hier auf Münstermama, und als Kolumnistin der MZ. Als Gründerin des Münsteraner Bloggernetzwerks MünsterBLOGS ist sie aktuell nicht mehr aktiv, begleitet das Netzwerk aber noch immer.