Mamas Stories

Bye Bye Uterus – Ein Abschiedsbrief

Ein Abschiedsbrief an meinen Uterus kurz vor der Hysterektomie und warum ich nicht mehr zulassen will, dass die Endometriose mein Leben auf Eis legt.

Vorab: Wer jetzt noch nicht begriffen hat, dass hier Worte wie Blut und Periode vorkommen können, bekommt eine letzte Chance doch lieber einen netten Reisebericht zu lesen.

Ich habe was, was du nicht siehst

Die Endometriose ist nicht sichtbar und das sowohl an den Frauen, die daran leiden, als auch in der Gesellschaft. Man redet nicht darüber. Es ist unschön, denn ihre Hauptsymptome sind starke Blutungen, Unterleibskrämpfe und häufig sorgt die Endometriose auch für Unfruchtbarkeit. Ein klassisches Tabuthema. Auch ich habe erst nach meiner Diagnose im März 2019 erfahren, was das überhaupt ist. Begriffen habe ich es da aber noch nicht.

„10-15 % aller Frauen zwischen Pubertät und Wechseljahre entwickeln eine Endometriose. Selbst konservative Schätzungen sprechen von jährlich 30.000 Neuerkrankungen in Deutschland.

Endometriose Vereinigung Deutschland e.V.

Jetzt, nach neun Monaten starken Blutungen und Krämpfen, zwei ambulanten Eingriffen, einer missglückten Hormontherapie und vielen Schmerzmitteln (die übrigens nicht wirken), bin ich endgültig mürbe und bei der Wut angekommen.

Wütend kann ich

Ich bin wütend, dass mein Körper auf all die Therapiemöglichkeiten nicht ansprang. Wütend, dass ich nicht so leben kann, wie ich es will. Ich bin unfassbar wütend, dass diese Erkrankung mir dieses Jahr soviel Lebensqualität und Zeit mit den Kindern gestohlen hat. Und die größte Wut beruht vermutlich auf diesen Schmerzen, die einfach nie aufhören!

Aber ich ärgere mich auch über das mangelnde Wissen zu dieser Erkrankung. So viele Frauen leiden darunter und so wenig wird dazu geforscht. Auch die abwinkenden Haltungen von anderen Frauen zu diesem Thema. „Ja, starke Regelblutungen kenn ich auch, das geht schon vorbei.“ „Ist doch immerhin kein Krebs.“ „Nimmste ein Buscopan, dann geht das schon.“ Das macht mich mehr als wütend.

Könnt ihr euch an die Nachwehen nach der Geburt und die Blutungen im Wochenbett erinnern? Das sind die guten Tage mit ausgeprägter Endometriose! Lest gern selbst nach, was da im Körper vor sich geht.

Zeit für einen Abschied

Doch Wut ist nicht gut, vor allem wenn der nächste Eingriff ansteht. Ich brauche dafür eigentlich Optimismus und innere Ruhe. Die Kraft, die noch übrig ist, wäre in der Wut verschwendet. Also habe ich mich hingesetzt und einen Brief geschrieben. Schreiben hat mir immer schon geholfen. Dieser Brief ist mehr für mich, als für irgendwen sonst. Dieses Thema ist intim und ich habe lange überlegt, ob ich es überhaupt online stellen soll.

Einen Abschiedsbrief an meinen Uterus zu schreiben war viel schwerer als gedacht. Den lasse ich nämlich nicht freiwillig entfernen. Aber mit der Hysterektomie wird hoffentlich auch diese verdammte Endometriose Ruhe geben. Dies ist aktuell meine letzte Option.

let me heal, lass mich heilen, als Schrift auf Herzgrafik

Bye Bye Uterus

Liebe Olivia,

(Keine Ahnung warum ich meinem Uterus jetzt einen Namen geben muss, aber es fühlt sich besser an einen Brief so anzufangen. Außerdem war das der erste Name, der mir in den Sinn kam. Auf „Lieber Uterus“ wären auch weitere „männliche“ Formulierungen gefolgt, was absurd ist in dieser Situation.)  

Zum ersten Mal nahm ich dich 1994 wahr. Damals war ich gerade mit meiner Mama im Urlaub und bekam plötzlich arge Bauchschmerzen. Ich eilte zurück zu unserem Hotelzimmer und stellte dort entsetzt fest, dass überall Blut war. Mit 14 Jahren wusste ich natürlich warum ich blutete, aber es haute mich dennoch um. Ich saß fast eine geschlagene Stunde heulend auf dem Klo bis meine Mutter mich fand. Das ganze Perioden-Thema erschien mir unglaublich unfair!

Wozu dieser blöde Uterus?

In den darauf folgenden Jahren war ich nicht nett zu dir. Ich habe dich jeden Monat verflucht und mir gewünscht, du wärst nicht da. Du warst unpünktlich und tauchtest immer genau dann auf, wenn es unpassender nicht sein konnte.

Doch irgendwann beruhigte es sich. Deine monatlichen Besuche wurden regelmäßiger und sanfter. Ich hörte auf, mich über die Blutungen zu ärgern. Ein paar Mal war ich sogar sehr erleichtert, als du dich endlich meldetest.

VIP Bodypart

Als das Thema Familienplanung auftauchte, wurdest du zur Hauptakteurin. Würdest du meinen Wunsch schwanger zu werden erfüllen können? So viele meiner Freundinnen versuchten es schon lang und stießen vor Probleme. Doch du, du hast mich beide Male sehr positiv überrascht!

Du wurdest zu meinem liebsten Körperteil in den vergangenen acht Jahren. Zwei Mal schlug ein Herz in meinem Bauch. Im Abstand von drei Jahren hast du zwei wunderschöne Kinder entstehen lassen. Du hast sie mit Nahrung und Wärme versorgt, sie beschützt und getragen. Dafür war und bin ich jeden Tag dankbar.

Du hast bei beiden Kindern die vollen 10 Monate Schwangerschaft gemeistert. Am Ende hast du mit deinen starken Kräften alles daran gesetzt, meine Kinder auf natürlichem Weg auf die Welt zu bringen. Diese Kraft hat mich unendlich stolz gemacht, denn die Kinder sind das Beste, das mein Körper je zustande gebracht hat. Ich werde dir auf ewig dankbar sein für diese zwei gesunden Menschen.

Ich habe gelernt was Weiblichkeit bedeutet

Während den Schwangerschaften, Geburten und danach waren wir ein tolles Team. Auf die Stunde genau habe ich gespürt, wenn meine Regelblutung einsetzte. Ich nahm deine Veränderungen im Zyklusverlauf wahr und nahm mir Auszeiten, wenn ich spürte, dass wir sie brauchten.

Endometriose ist Krieg im Bauch

Doch im März 2019 wurde plötzlich alles anders. Du hast gekrampft und die Blutungen erinnerten mich ans Wochenbett. Das machte mir Sorgen. Unsere Ärztin schickte mich zu Spezialisten und im Mai wurden wir endlich zum ersten Mal operiert. Da das nicht ausreichend schien, bekamen wir im Juni noch einen Eingriff. Danach würde es etwas dauern, bis du auf die künstlich hinzugefügten Hormone reagierst, sagte man mir. Es funktionierte nicht. Den ganzen Sommer hindurch hat die Endometriose uns gequält. Die wenigen Tage Blutungspause fühlten sich jedes Mal an wie ein Befreiungsschlag. Und wenn die Blutung nach wenigen Tagen wieder einsetzte, war nur noch Verzweiflung in mir.

Uterus, es ist Zeit zu gehen.

Jetzt im Winter muss ich dem Ganzen ein Ende setzen. Nach dem ganzen Blut, dass wir beide verloren haben, nach all den Gerinnungsmitteln, Krampflösern, Schmerzmitteln, Eisen-Infusionen etc. muss ich aufgeben. Ich will dich nicht gehen lassen – ich muss.

Mir bleibt keine andere Wahl. Dieser Abschied muss sein, damit ich wieder richtig leben kann. Diese Erkrankung darf mir meine Kraft nicht weiter nehmen. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich die Operation lieber heute als morgen. Mit dir soll vor allem die Endometriose aus meinem Körper verschwinden.

Wenn das alles vorbei und unsere Trennung in mir verheilt ist, werde ich dich ein letztes Mal feiern. Mit Freundinnen und Schokolade, Schnulzen-Filmen und allem was du so gern mochtest. Der Abschied von dir ist schwer, aber die Blutungen und Schmerzen werde ich keinen einzigen Augenblick vermissen. Der Abschied vom Schmerz muss gefeiert werden!

Danke für alles.

Bye Bye, my dear Olivia Uterus.

Um die häufigste Frage zu beantworten: Nein, mit einer cervikalen Hysterektomie rutscht man nicht in die Menopause. Die hormonell entscheidenden Eierstöcke bleiben stehen. Auch der Gebärmutterhals bleibt erhalten, um einer Senkung vorzubeugen. Bei allen weiteren technischen Fragen, wendet ihr euch besser an euren Gynäkologen!

pin - Abschied vom Uterus mit Kalendergrafik

Die Autorin dieses Beitrags

Leila schreibt seit 2014 über Familie, Food und Reisen hier auf Münstermama, und als Kolumnistin der MZ. Als Gründerin des Münsteraner Bloggernetzwerks MünsterBLOGS ist sie aktuell nicht mehr aktiv, begleitet das Netzwerk aber noch immer.

Kategorie: Mamas Stories

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Leila schreibt seit 2014 über Familie, Food und Reisen hier auf Münstermama, und als Kolumnistin der MZ. Als Gründerin des Münsteraner Bloggernetzwerks MünsterBLOGS ist sie aktuell nicht mehr aktiv, begleitet das Netzwerk aber noch immer.