Familienfreundlich ist das Münsterland eher nicht, zeigt ein Ranking deutscher Mittelstädte.
Kommunal hat eine Studie in Auftrag gegeben, um die familienfreundlichsten Städte Deutschlands zu bestimmen. Keine einzige Stadt im Münsterland taucht unter den Top 100 der familienfreundlichen Städte auf. Doch warum?
Was ist das für eine Studie?
Natürlich hat mich der Beitrag von Henner Lüttich erstmal misstrauisch gemacht. Was ist das für eine Studie? Was wird dort untersucht und sind die Punkte tatsächlich relevant für Familien? Manchmal muss man genauer hinsehen, um so eine Studie richtig deuten zu können.
Der Auftraggeber Kommunal ist ein Magazin für „die Entscheider in den Kommunen“. Der Autor der Studie, Henner Lüttich hat in Münster BWL und Marketing studiert bevor er bei der CONTOR GmbH anfing. Aktuell berät er mithilfe seines Online-Analysemodells CONTOR-Regio nationale und internationale Unternehmen bei der Wahl neuer Standorte und die Regionen und Städte bei der Analyse ihrer Standortangebote.
Kann das denn so stimmen?
Auf den ersten Blick birgt die Studie, ihr Autor und der Auftraggeber nichts, was mich an den Ergebnissen zweifeln lassen könnte. Auch die Einstellungen für die Analyse (hohe Geburtenrate, gute Verkehrsinfrastruktur, wenig Arbeitslosigkeit & wenige Insolvenzen, genügend Wohnraum-Kapazitäten zu erschwinglichen Preisen, wenig Schulabbrecher und starke Erziehungs-, Bildungs- und Unterrichtsmöglichkeiten) machen durchaus Sinn als messbare Werte für die Familienfreundlichkeit.
Hier wurde allerdings nicht auf große Städte geschaut, sondern ganz bewusst auf Städte mit einer Einwohnerzahl zwischen 20 und 75 Tausend Menschen. Und es wurde ein Ranking erstellt, bei dem es nie die perfekte Stadt geben wird. Selbst in Passau, Ilmenau und Freising (den Top 3) gibt es immer noch Verbesserungspotential. (Wer möchte, kann hier die komplette PDF runterladen)

Wo im Ranking taucht das Münsterland auf?
Ich habe mir die Mühe gemacht und die Top 15 Münsterländer aus der Liste der 585 untersuchten Städte herausgesucht:
Stadt | Ranking |
Coesfeld | 132 |
Greven | 145 |
Ahaus | 154 |
Ibbenbüren | 160 |
Borken | 171 |
Warendorf | 174 |
Senden | 181 |
Steinfurt | 211 |
Gronau | 222 |
Dülmen | 228 |
Hörstel | 251 |
Lüdinghausen | 299 |
Lengerich | 323 |
Emsdetten | 427 |
Aus NRW hat es übrigens nur Gummersbach unter die Top 50 geschafft. Erschreckend, oder?
Wie entscheiden Familien, wo sie leben?
Wir selbst hatten gleich mehrere Faktoren, die uns bewogen im Münsterland zu bleiben. Die Nähe zur Familie war für uns alles entscheidend. Wenn wir Kinder bekommen, dann sollen sie in der Nähe ihrer Familie aufwachsen. Damals kamen also nur Köln und Münster in Frage und zwischen diesen beiden Städten gewann Münster haushoch, was die Immobilienpreise und Familienfreundlichkeit anging. Das das Leben andere Wege gehen würde, haben wir damals nicht geahnt.

Aber zu der Zeit konnten wir auch noch ohne uns in den Ruin zu treiben ein Haus kaufen. Wir hatten Glück mit unserem Timing. Heute wäre es in unserer direkten Nachbarschaft nicht mehr so einfach möglich. Die Immobilienpreise in unserem Viertel haben sich in den letzten Jahren verdreifacht. Das ist definitiv nicht familienfreundlich. Auch die Betreuungssituation hat sich in den letzten 8 Jahren nicht fühlbar verbessert.
Dies ist nur unsere persönliche Erfahrung. Einiges davon mag auf alle Familien zutreffen, die Gewichtung ist aber vermutlich bei jedem Paar anders.
Es muss familienfreundlicher werden
Lebenshaltungskosten, Beschäftigungschancen und Immobilienpreise sind wichtige Faktoren für die Wahl des Wohnorts – hier wie überall. Während das Münsterland im Bereich der Beschäftigung und sicher auch in den Erziehungs- und Bildungschancen obenauf scheint, sind es doch gerade die finanziellen Aspekte, die vielen Familien hier das Genick brechen können.

Auch der Verkehr ist ein nicht zu unterschätzendes Argument. Mal ganz davon abgesehen, dass ich meinen ökologischen Fußabruck auf der Erde möglichst klein halten will: Als berufstätige Eltern ist jede Stunde, die ich auf dem Arbeitsweg „verschenke“, eine Stunde, die im Haushalt oder mit den Kindern fehlt.
Den Wandel im Verkehrswesen bekommen viele Städte hier im Münsterland leider noch nicht sauber hin. Der Öffentliche Nahverkehr ist vielerorts mangelhaft und der Autoverkehr eine echte Belastung – für die Umwelt und die Stimmung.
Wo an welchen Schrauben es sich lohnt zu drehen? Die Entscheidung ist nicht meine Aufgabe, aber vielleicht mögen die Städte, Kommunen und auch Unternehmen mal ehrlich zeigen, was konkret unternommen wird um es Familien hier angenehmer zu machen?

Was ich mir wünsche
Ich möchte nicht glauben, dass wir in den Punkten der Familienfreundlichkeit im Münsterland nicht wieder aufholen könnten. Ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Städte und die Entscheider in den Kommunen an all den Schwachpunkten bereits arbeiten.
Allerdings wünschte ich mir, wir würden uns alle auch ein wenig offener darüber austauschen. bevor man sich das Wort „familienfreundlich“ auf die Fahne schreibt, sollten wir vielleicht auch mal einen Blick in andere „familienfreundlichere“ Richtungen riskieren. Weniger Eigenlob, mehr konstruktive Kritik. Da nehme ich mich nicht aus, ihr wisst wie gern ich unsere Heimat und all die wunderschönen Orte im Münsterland feier.
Die Autorin dieses Beitrags
Leila schreibt seit 2014 über Familie, Food und Reisen hier auf Münstermama, und als Kolumnistin der MZ. Als Gründerin des Münsteraner Bloggernetzwerks MünsterBLOGS ist sie aktuell nicht mehr aktiv, begleitet das Netzwerk aber noch immer.