Mamas Stories

Die Trauer-Kiste – Ein Bild, das mir im Alltag hilft

Trauer ist ein Arschloch, das schrieb ich schon mal. Im Hochsommer, wenn die Sonne scheint, die Kinder draußen im Garten lachen und die Luft nach Sonnenmilch duftet, scheint alles so leicht. Als wenn nichts Schlimmes passieren könnte, als wenn wir alle unantastbar wären.

Und dann klingelt das Telefon und die Stimme sagt diesen Satz, den deine Ohren nicht hören wollen und den dein Hirn nicht greifen kann. Tot. Dieses eine Wörtchen, das dir augenblicklich die Luft abschnürt. Deine Hand fängt an zu zittern, das Schlucken wird schwer. Die Stimme redet weiter, erzählt von den letzten Stunden und von der anstehenden Beerdigung, doch in dir ist nur lautes Rauschen.

Über die Trauer habe ich schon einige Male geschrieben. Mir hilft das und an den vielen persönlichen E-Mails gemessen, hilft es anderen diese Texte zu lesen. Es hilft zu sehen, Trauernde sind nicht allein und vor allem nicht verkehrt. Sätze wie „es wird leichter“, „du musst loslassen“ und „morgen ist ein neuer Tag“ sorgen dafür, dass wir glauben die Trauer müsste irgendwann verschwinden. Doch das tut sie nicht.

Im letzten Jahr habe ich ein sehr hilfreiches Bild gefunden. Es beschreibt die Trauer als Kiste. Diese Kiste ist immer in dir, sobald du einen wichtigen Menschen verloren hast. Bitte verzeiht meine miesen Zeichenkünste, aber sicherlich reichen diese, um euch das Bild zu verdeutlichen.

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Stellt euch diese Kiste mit einem Ballon und einem Schmerzknopf innen vor. Am Anfang, direkt nach dem Verlust, ist der Ballon so riesig, dass er den Schmerzknopf bis zum Anschlag drückt. Der Ballon ist so riesig, dass egal wie ihr die Kiste auch dreht und wendet, der Schmerz bleibt und unfassbar intensiv ist. Doch mit der Zeit wird dieser Ballon etwas kleiner, der Schmerzknopf löst sich langsam und vielleicht gibt es sogar Momente, in denen der Ballon gar keinen Kontakt mehr mit dem Schmerzknopf hat. Momente, die irgendwie leicht sind.

Doch der Schmerzknopf bleibt und der Ballon bleibt auch in eurer Kiste. Manchmal bewegt ihr die Kiste unbewusst und vielleicht berührt der Ballon, obwohl er mittlerweile kleiner geworden ist, den Schmerzknopf. Er berührt ihn vermutlich sehr regelmäßig, mal stärker mal schwächer. Das sind die Momente, in denen die Trauer uns auch nach Jahrzehnten unvorhergesehen die Tränen in die Augen treibt.

Vielleicht schüttelt ihr die Kiste auch ganz bewusst, oder taucht ein in die Erinnerungen der letzten Tage, um den Ballon wieder größer werden zu lassen. Um ihn wieder deutlicher fühlen zu können, weil irgendwie ist die Trauer manchmal auch das Einzige was noch bleibt. Das ist ok, so lang man in der Lage ist die Kiste zu akzeptieren.

Meine Trauerkiste ist ein Teil von mir. Wenn ich gegrillten Mais rieche, denke ich an meine Mutter und kann fühlen, wie der Schmerzknopf gedrückt wird. Wenn ich die Stupsnase meines Sohnes betrachte, denke ich an meine Oma und auch da kann ich fühlen, wie der Ballon wieder größer wird. Und ich kann all das in der Kiste bei mir haben und damit leben.

Denn darum geht es am Ende immer. Leben.

Die Autorin dieses Beitrags

Leila schreibt seit 2014 über Familie, Food und Reisen hier auf Münstermama, und als Kolumnistin der MZ. Als Gründerin des Münsteraner Bloggernetzwerks MünsterBLOGS ist sie aktuell nicht mehr aktiv, begleitet das Netzwerk aber noch immer.

Kategorie: Mamas Stories

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Leila schreibt seit 2014 über Familie, Food und Reisen hier auf Münstermama, und als Kolumnistin der MZ. Als Gründerin des Münsteraner Bloggernetzwerks MünsterBLOGS ist sie aktuell nicht mehr aktiv, begleitet das Netzwerk aber noch immer.