Papas Stories

Erziehung darf keine Glückssache sein

Von den vielen Lehrersprüchen, die ich selber im Laufe der Jahre als Schüler hörte, ist ein Spruch selbst nach über 20 Jahren besonders in Erinnerung geblieben:

“Gute Erziehung ist Glückssache.“

Ein Lehrer sprach ihn immer dann kopfschüttelnd aus, wenn wir Sechst- oder Siebtklässler uns nicht angemessen benahmen.

Ich gebe zu, ich erinnere mich vor allem dann an diesen oberschlauen Spruch, wenn sich Kinder – wohlgemerkt nicht die eigenen – in meinen Augen schlecht benehmen. Sind diese Kinder wirklich Opfer einer schlechten Erziehung? Erziehen diese Eltern ihre Kinder falsch, womöglich gar nicht? Oder störe ich mich daran, dass andere nicht meine eigenen Erziehungsvorstellungen umsetzen? Die Münstermama dachte hier schon mal über eine ähnliche Frage nach.

Giraffe oder Wolf?
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Die Giraffe als Bild in der Erziehung

Ein Blick in die pädagogische Fachliteratur zeigt, dass es eine Vielzahl von Erziehungsstilen gibt. Teilweise mit konkurrierenden Auffassungen und Idealen. Eine ganze Reihe an Tieren müssen mit ihren Eigenschaften als Leitbild für die richtige Erziehung herhalten. Zum Beispiel der Wolf und der Pinguin bei Jesper Juul oder die Giraffe und der Wolf bei Marshall B. Rosenberg. Juul sieht den Wolf deutlich positiver als Rosenberg. Mir geht es da ähnlich. Wenn es dem Wolf entspricht, eine deutliche Ansage zu machen, anstatt Fehlverhalten zu ignorieren oder ohne Ergebnis zu diskutieren, dann geht das für mich in Ordnung. Unter “eine deutliche Ansage machen” verstehe ich nicht, mein Kind runter zu machen oder seinen Willen zu brechen.

Ich versuche mich mal an einem Beispiel im Sinne der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) nach Rosenberg. Der Wolf (Satz 1) hat hier wohlgemerkt die negativen Eigenschaften, im Gegensatz zur friedfertigen Giraffe (Satz 2).

“Kannst du mal endlich aufräumen? Dein Zimmer ist ein Saustall! Ich glaube, du bist gar nicht in der Lage richtig zu spielen.”

oder

“Name, dein Zimmer ist unordentlich. Räume es bitte auf. Sag mir Bescheid, wenn du dabei Hilfe brauchst.”

Bei Satz 1 wird dem Kind die Illusion der Wahlfreiheit gegeben. Gleichzeitig wird sein privater Lebensbereich abgewertet und es persönlich runter gemacht. Das Kind wird hier – womöglich unbeabsichtigt – in seiner Persönlichkeit verletzt.

Satz 2 lässt keine Wahlfreiheit. Er ist sachlich und die Aufforderung wird mit einer Bitte unterstützt. Damit zeige ich, dass ich mein Gegenüber achte. Der Aufforderungscharakter wird dadurch nicht abgeschwächt. Schließlich biete ich meine Hilfe bei Bedarf an, so dass ich meinem Kind nicht das Gefühl gebe, es mit der Aufgabe alleine zu lassen. Wenn das Kind schon älter ist, kann man das eigene Gefühl zu der Sache äußern („Ich bin frustriert, wenn ich deine Spielsachen aufräumen muss“). Der Clou bei Satz 2 ist, darauf zu achten, dass das Zimmer wirklich jetzt aufgeräumt wird. Mit aller Konsequenz. Das ist anstrengend.

Welche Idealvorstellung von Erziehung haben wir?

Bei der Entscheidung für einen Erziehungsstil spielen viele Faktoren eine Rolle: Die Erziehung, die man selbst genossen hat, eigene Moral- und Wertevorstellungen und die Einigung mit dem Partner. So verschieden die Menschen sind, so verschieden auch ihre Erziehungsstile. Es gibt nicht DIE richtige Erziehung, sondern viele Wege, die zielführend sind.

Grundlegende Erziehungsideale haben sich hier durchgesetzt. Diesen Werten sollten wir alle zustimmen: Wir…

  • wenden keine Gewalt an (weder körperlich, noch durch Worte),
  • bringen unseren Kindern bei, Grenzen zu akzeptieren,
  • ermöglichen unserem Kind ein selbstbestimmtes Leben.

Die Goldene Regel beinhaltet diese Werte. Sie findet religions- und kulturübergreifend Zustimmung.

Die Zeiten, in denen Erziehung per se kritisch gesehen wurde, sind vorbei. Das ist auch gut so. Es hat sich doch gezeigt, dass grenzenlose Freiheit Kindern nicht gut tut. Besonders wenn viele Kinder zusammen sind, benötigen sie klare Regeln (und Konsequenzen bei deren Nichtbeachtung). Erziehung geschieht nicht nebenbei. Sie ist kein Selbstläufer, sondern Arbeit. Teilweise sogar harte, Kräfte raubende Arbeit.

Unterstützung im Alltag

Bei unserem zweiten Sohn merkten meine Frau und ich, dass dieser seine Grenzen offensiver und provokanter austestet, als unser Großer. Wir sagten häufiger laut “Nein” und mussten angedrohte Konsequenzen öfter umsetzen – Schreien und Weinen inklusive. Besonders beim Essen war das eine Herausforderung. Im Team sind solche Situationen deutlich besser zu bewältigen als alleine. Beobachte ich ein ähnliches Verhalten bei einem anderen Kind und sehe, dass dessen Eltern nicht reagieren, steigt in mir schnell Wut auf. Sind sie nicht bereit, die Erziehungsarbeit zu leisten? Ist das Nicht-Reagieren ein Zeichen von Überforderung oder von Desinteresse? Vielleicht hat das Kind in diesem Moment wirklich Pech gehabt.

Erziehungsratgeber oder ein moderiertes Elterntraining sind für überforderte Eltern eine Hilfe. Ratgeber, die in großer Zahl in öffentlichen Büchereien erhältlich sind, können Tipps und Anregungen für bestimmte Problemsituationen geben. Ein Elterntraining kann helfen, wenn zum Beispiel ein neuer Partner in die Familie kommt (Beratungsangebote der Stadt Münster). Auch Humor ist  für mich eine Hilfe, stressige oder nervige Situationen aus einem anderen Blickwinkel zu sehen und mich selber in meiner Rolle nicht zu ernst zu nehmen. Um sich aufmuntern oder gar mitreißen zu lassen, empfehle ich Johann Königs neues Buch über das Elternsein (am besten in der Hörversion!) . Als Papa von drei kleinen Kindern weiß er, wovon er redet.

Erziehung mit dem Helikopter

Ein relativ neuer Erziehungsstil sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Die eigenen Kinder werden nicht ignoriert, sondern auf Schritt und Tritt verfolgt und rund um die Uhr beobachtet. Sie sollen ja keinen Fehltritt machen, sondern ein optimales Leben ohne Schwierigkeiten und Hindernisse haben. Es ist der Helikopter-Erziehungsstil. Dass die eigenen Kinder hierbei zu großen Teilen fremdbestimmt sind, wird schnell übersehen.

Wie ist es zu diesem fast schon lustigen Helikopter-Bild gekommen? Ich habe einmal überlegt, wann Helikopter im echten Leben eingesetzt werden. Wenn wir mal den Freizeitbereich außen vor lassen, dann doch wohl in sehr speziellen, dringenden und meist gefährlichen oder bedrohlichen Lebenslagen. Bezogen auf Erziehung bedeutet das:

→ Wenn ich den Verdacht habe, dass mein Kind gemobbt wird: ab in den Helikopter.

→ Wenn ich mitbekomme, dass der Lehrer sexistische Sprüche vor der Klasse zum Besten gibt: ab in den Helikopter.

Viel mehr Beispiele fallen mir gar nicht ein. Klar ist, dass in der Erziehung deutlich zu viel mit dem Helikopter geflogen wird!

Kommen wir zurück zu guter Erziehung. Ja, es gibt sie. Da, wo Eltern ihre Kinder von ganzem Herzen lieben. Diese Eltern wissen, dass diese Tatsache alleine nicht ausreicht. Erziehung ist ein richtiger Job … für viele ein Traumjob!

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Die Autorin dieses Beitrags

Der Münsterpapa David ist Vater von zwei Jungs (*2012 und *2015) und seit über 10 Jahren Grundschullehrer und Medienpädagoge im Münsterland.

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