Mamas Stories

Halt den Mund! – Wenn Mama schimpft

Als mein großer Sohn gerade zweieinhalb war und ich ziemlich schwanger mit dem Kleinen, waren wir bei Freunden zu Besuch. Die Übelkeit hatte mich voll im Griff und ich muss ausgesehen haben wie ein Zombie. Die Freundin bei der wir waren, sah mir meine Erschöpfung an und ich konnte ihre sehen. Sie hatte bereits drei Kinder und sagte damals etwas, dass mich ehrlich gesagt schockte. Sie sagte: „Manchmal denk ich nur noch: Halt den Mund!“

Ich war entsetzt!

Unser Großer hatte gerade erst angefangen richtig schön zu sprechen und ich genoss es sehr, mit meinem Kind kommunizieren zu können. Ich dachte, das was sie mir da gebeichtet hatte, wäre völlig unangebracht. Wie konnte jemand das überhaupt denken?! Natürlich hatte sie nie wirklich diesen Satz gegenüber den Kindern geäußert…aber sie hatte es sicherlich oft gedacht. Das fand ich damals unvorstellbar.

Im Nachhinein weiß ich, ich hatte keine Ahnung!

Ich fühle mich jetzt sogar schuldig, weil ich sie ein wenig für diese Beichte verurteilt habe. Im Geheimen habe ich an ihrer Mutterliebe gezweifelt und dabei überhaupt nicht vorhergesehen, was mir selbst noch blühte.

Ein paar Jahre später und hier stehe ich. Der Große hält mich für Wikipedia und stellt ununterbrochen eine Frage nach der anderen. Die letzte Frage vor fünf Sekunden fing an mit „Mama, weißt du, Vögel legen auch Vorräte an, wie…“. Dem Rest der wissenschaftlichen Abhandlung konnte ich nicht mehr folgen, weil der Kleine viel lauter ist und seit Stunden immer wieder den gleichen Satz singt. Wenn er mit seinem „eine Rolle Klopapier“ schreiend in meine Nähe kommt, machen meine Hör-Organe daraus mittlerweile ein irrsinniges Piepen. Stellt euch vor, wie es hier zugeht, wenn sie noch ihre Freunde zum Spielen hier haben.

Ich verstehe jetzt, was meine Freundin meinte. Ich gestehe sogar, an manchen Tagen erwische ich mich selbst dabei das zu denken. Alles in mir möchte dann laut schreien:

Haltet doch alle den Mund!

Und wisst ihr was ich jetzt auch verstehe? Meine Freundin war keine schreckliche Mutter. Sie war ein Mensch. Und es ist auch menschlich, wenn ich jetzt diese Gedanken habe. Und genau wie Ihr, meine lieben Mami-Leserinnen, haben alle Mütter irgendwo auch ein Recht auf diese Gedanken!

Denn wenn wir mal ehrlich sind: Kinder sind laut. Sie reden viel. Ununterbrochen! Vor allem in einer ziemlich penetranten Lautstärke. Und sie interessieren sich auch nicht dafür, ob du gerade mit jemand anderem sprichst. Es ist ihnen egal, ob du gerade etwas liest oder kurz mal allein auf dem Klo sein willst. Sie wollen von dir unbedingt wissen, ob der Mann da vor dir in der Supermarktschlange auch einen Penis hat. Sie erzählen ganz frei dem Nachbarn von dem riesen Kackhaufen, den sie heute Morgen gesehen haben, als sie dich auf dem Klo unterhalten haben. Und sie singen dir ihre Lieblingssätze garantiert so lange, bis du so weit bist, dir das göttliche Geschenk der völligen Stille zu wünschen.

Kinder wissen sehr genau, was sie wollen und was nicht. Der Große hat überhaupt kein Problem damit, mit mir um ein Eis zu feilschen, während ich dabei bin die vollgekackte Windel des Kleinen zu beseitigen. Und der wiederum stellt mir im selben Augenblick die Frage, wo denn mein Hodensack ist. Und beide zögern keine Sekunde, mir über dem Lärm des Staubsaugers hinweg ihre aktuellsten Anliegen entgegen zu brüllen.

Lasst mich am besten gar nicht davon anfangen welches Chaos hier ausbricht, sobald ich ein Telefonat annehme. Genau dann muss nämlich dringend geklärt werden, ob die Dinosaurier vielleicht in einem schwarzen Loch wiedergefunden werden könnten, während ein Spielmannszug zum Gründungskonzert in meinem Rücken ansetzt.

Die Kakophonie des Chaos in diesem Haushalt klingt für Nachbarn und Außenstehende vermutlich manchmal unerträglich. Warum sollte es mir mittendrin anders gehen?! Es bringt übrigens genau gar nichts, sie mit dem bösen Blick zu strafen. Den nehmen meine Kinder üblicherweise gar nicht wahr, denn sie sind viel zu beschäftigt weiterzureden.

Manchmal habe ich den Eindruck es interessiert sie auch null, wenn ich sie bitte, mal einen kurzen Moment still zu sein. Weil ich eine Pause brauche. Nur einen klitzekleinen Augenblick, in dem ich geradeaus denken kann. Sie wissen noch nicht was ein Moment ist, wie lang er ist und was er für mich bedeuten kann.

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So sehe ich aus, wenn ich schimpfe?! Manchmal ist es gut sich das vor Augen zu führen.

Weil sie einfach Kinder sind und gehört werden wollen. Sie haben schlicht Angst, dass ihr Stimmchen nicht durch all das Familienchaos bis zu uns durchdringt. Und wir bitten sie viel zu häufig, noch einen Moment zu warten. Still zu sein bis sie dran sind, uns nicht zu unterbrechen. Wir sagen „Mal sehen, wer als längstes still sein kann!“ und vermutlich findet auch ihr, dass der Erfinder dieses Spiels einen Friedensnobelpreis verdient hätte.

Denn wenn wir ehrlich sind, wollen wir alle manchmal einfach ein wenig Ruhe. Und, dass sie hin und wieder die Klappe halten. Wir denken alle zwischendurch „Halt den Mund!“, auch wenn wir es niemals sagen würden. Okay, wenn ich zwischendurch schreibe, meine ich eigentlich mehrmals täglich. Und auch das ist völlig okay! Es ist menschlich.

Die Autorin dieses Beitrags

Leila schreibt seit 2014 über Familie, Food und Reisen hier auf Münstermama, und als Kolumnistin der MZ. Als Gründerin des Münsteraner Bloggernetzwerks MünsterBLOGS ist sie aktuell nicht mehr aktiv, begleitet das Netzwerk aber noch immer.

Kategorie: Mamas Stories

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Leila schreibt seit 2014 über Familie, Food und Reisen hier auf Münstermama, und als Kolumnistin der MZ. Als Gründerin des Münsteraner Bloggernetzwerks MünsterBLOGS ist sie aktuell nicht mehr aktiv, begleitet das Netzwerk aber noch immer.