Seit Samstag springen meine Gedanken. Ich kann sie kaum greifen und immer wieder tauchen Bilder, Szenen, Momente vor meinen Augen auf. Der Amoklauf auf dem Kiepenkerl Platz hat mich aus der Bahn geworfen. So geht es vielen Münsteranern in diesen Tagen und jeder geht damit auf seine Art und Weise um.
Münster trauert
Während die Einen Blumen und Kerzen ablegen, gehen andere in die Kirche. Der Gottesdienst am Sonntagabend im Dom hat eins deutlich gemacht: Wir Menschen brauchen Rituale und die Gemeinschaft. Sie geben uns Halt in herausfordernden Zeiten. Hier vielleicht noch mehr als anderswo.
Nur 4 Tage nach dem schrecklichen Ereignis wollen die Mitarbeiter der Lokale heute wieder arbeiten. Sie wollen zusammen sein mit ihren Kollegen und mit den Gästen. Sie wollen keinen Ausnahmezustand mehr. Sie brauchen das Leben zurück, um die Ereignisse zu verarbeiten.
Um 12 Uhr wollen sich auch viele junge und in der Stadt aktive Menschen am Kiepenkerl treffen. Der Aufruf kam unter anderem von MS4Life. Sie möchten „auf das Leben anstoßen“ und so ein Stück weit den Kiepenkerl Platz wiederbeleben.
Warum? Ist das nicht zu früh?!
Zusammenhalt zeigt sich auch in solchen Bewegungen. Es gibt viele Wege, die Trauer und den Schock zu verarbeiten. Und es ist schön, wenn man Wege gemeinsam gehen kann. Das ist eben auch ein Teil der Münsteraner.
Ich bin heute sehr lang an einem Bild in meinem Büro hängen geblieben. Viele Münster-Besucher werden so ein Bild haben. Es ist im Grunde nicht besonders. Doch für Münsteraner steckt so viel mehr hinter dieser Statue…
Kiepenkerl Momente
Ich erinnere mich daran, wie ich als Kind die Geschichte des Kiepenkerl hörte. Und ich erinnere mich daran, wie wir letztes Jahr dort mit den Münsterjungs standen und ich ihnen diese Geschichte zum ersten Mal erzählte.
Dann fällt mir ein: Gleich um die Ecke haben wir uns die ersten Babysachen gekauft. Damals, als ich zum ersten Mal schwanger war. Ich war so aufgeregt und glücklich und hatte überhaupt keine Ahnung was mich erwartete. Aber ich fühlte mich hier aufgehoben und sicher. Hier im Kiepenkerlviertel.
Im Großen Kiepenkerl haben wir die schönsten Weihnachtsessen mit Oma und Opa gefeiert. In diesem Lokal fühle ich mich selbst als Erwachsene wie in einem Märchen.
Vielleicht erinnern sich manche Instagram Follower auch, wie glückselig ich nach einer Date Night dort alberne Fotos mit meinem Mann gemacht habe. Doch woran nur wir zwei uns erinnern, sind die Nächte in denen wir als Studenten hier knutschend durch die Gassen gestolpert sind.
All diese Erinnerungen und noch so viele mehr verbinde ich mit dem Kiepenkerlviertel. Das ist mir jetzt noch viel bewusster als zuvor. Vermutlich können viele Münsteraner noch wesentlich spannendere Anekdoten erzählen?
Münster lebt
Dieser Platz ist mitten im Herzen Münsters. Er lebt und wandelt sich mit den Jahreszeiten und bleibt doch immer beständig in seiner geschichtsträchtigen Schönheit. Die Geschäfte, die Lokale, die Anwohner prägen das Leben um diesen Platz. Wenn diese bereit sind für die Normalität, dann ist es Münster auch.
Ja, die Trauer braucht ihren Platz und ihre Zeit. Doch das Gedenken ist niemals nur traurig und voller Schrecken. Das Leben ist viel mehr. Das Leben der Menschen, die hier verletzt und getötet wurden ist nicht nur dieser eine schreckliche Moment. Das Leben auf dem Kiepenkerl Platz endet nicht.
Die Liebe und die Lebensfreude lassen wir nicht einfach verschwinden. Sie gehört zu den Münsteranern, zu dem Kiepenkerl Platz und zu Münster. Also, bringt Blumen her, stoßt auf das Leben an, lasst Kerzen leuchten und haltet euch aneinander fest! Wir gehen den Weg zusammen!
Die Autorin dieses Beitrags
Leila schreibt seit 2014 über Familie, Food und Reisen hier auf Münstermama, und als Kolumnistin der MZ. Als Gründerin des Münsteraner Bloggernetzwerks MünsterBLOGS ist sie aktuell nicht mehr aktiv, begleitet das Netzwerk aber noch immer.
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