Mamas Stories

Trauer ist meine tägliche Hölle

Trauer ist die Hölle. In letzter Zeit ist sie wieder häufiger da, viel öfter als ich es zeige. Wenn ich mir im Garten von den Jungs ein Sand-Eis machen lassen, im Auto auf dem Weg zur Arbeit, spät nachts im Bett. Sie greift mich an, wenn ich meinen Kindern die mit Schokolade verschmierten Gesichter wasche. Sie stürzt über mich herein, wenn der Kleine wieder einen Trotzanfall durchlebt oder mein Großer mit mir über die Coolness seiner Hose diskutiert und mir einfällt, dass ich Mama noch was fragen wollte.

Trauer schluckt mit ihrem dunklen Schlund alles um mich herum. Sie ist wie ein endloser Abfluss aus dem ich stoisch immer wieder hinausklettere, nur um dann wieder weiter runter zu rutschen.

Im siebten Jahr fühlt sich Trauer so an wie ein Seil um meinen Rachen und eine spitze Scherbe in meiner Brust.

Immer wieder höre ich den Satz „Es wird leichter“. Das ist totaler Kackscheiß. Nichts wird leichter! Eventuell gewöhnt man sich an diesen Würgereiz, an die dröhnende Stille. Es ist nicht leichter, es ist ein Stück weit normaler. Man trägt ihn einfach weiter mit sich rum, diesen Rucksack voll Wut und Traurigkeit. Und irgendwie schafft man es, die ins Fleisch einschneidenden Träger zu ertragen. Ob es jemals wirklich leichter wird nicht bei jedem Lachen an Sie zu denken?

An manchen Tagen ist die Trauer schwächer. Es kam auch schon vor, dass ich es ganz vergaß. Doch der Aufprall, wenn ihr Tod wieder in mein Bewusstsein rückt, ist dann gleich zehnmal so hart. Denn dann kommt auf ganz perfide Art und Weise die Schuld zu der Trauer hinzu. Wie konnte ich Sie nur vergessen? Auch wenn es nur ein Moment war…

Als sie starb war ich nicht vorbereitet. Sie war nicht vorbereitet. Wir konnten uns nicht verabschieden. Aber spielt das wirklich eine Rolle? Hätte ich mich jemals angemessen verabschieden können? Wäre das jetzt ein echter Trost? Kann man sich je auf den Tod seiner Mutter vorbereiten?

Wie hätte ich damals wissen sollen, dass ich nur wenige Monate später schwanger sein würde? Wie hätte ich sie dort all das fragen können, was mir jetzt auf der Seele brennt?

Mach ich das alles richtig mit den Kindern? Bist Du zufrieden mit mir? Ist dieser kleine Wildfang so wie es meine Schwester früher war? Würdest Du heute etwas anders machen mit uns? Wie hast Du das bewältigt, während Du meist allein warst mit uns?

Welche Hölle hast Du durchlebt?

Nein, ich hätte Sie nichts davon fragen können. Mein Leben ist ein ganz anderes als damals. In sieben Jahren passiert eine Menge. Das macht mich wütend! Es ist und bleibt ungerecht, dass Sie nicht mehr ein Teil davon ist.

Ich vermisse Sie. Meine Trauer ist mit den Jahren leiser geworden. Aber ich wünschte, die Welt würde verstehen wie schwer es manchmal ist sich morgens anzuziehen. Ein merkwürdiger Wunsch? Ist es unnormal, dass ich immer noch Ihre Socken und T-Shirts anziehe? In dem einen Moment hilft es mir und im gleichen Moment schnürt es mir die Kehle zu? Kann das überhaupt sein?

Unsere Familie ist auseinander gebrochen. Uns fehlte das verbindende Element in der schwierigsten Zeit. Die Wut und Hilflosigkeit macht es schwer Brücken zu schlagen und vielleicht wird es nie wieder eine Verbindung geben ohne Dich. Vielleicht ist es zu schwer diese schwarze, tiefe Lücke zu überwinden.

Wann bin ich erwachsen genug geworden, um dieses Leben ohne meine Mutter zu meistern? Was mache ich, wenn nur noch die Umarmung einer Mutter Trost sein kann? Darf der Duft meiner kleinen Schwester den Platz Ihres Duftes in meiner Erinnerung einnehmen?

Es ist schon komisch, wie sehr ich mich an Nachrichten von ihren Geschwistern festhalte. Es fühlt sich irgendwie an, als wenn Sie mir antwortet. Ich rufe jeden Tag meine Oma an, auch wenn wir dann nur über das Wetter und das Essen reden. Früher habe ich so oft am Tag mit meiner Mutter telefoniert. Ich fühle mich unsagbar einsam ohne ihre Stimme.

Es sollte leichter sein im siebten Jahr. Wann hört es auf schwerer zu werden?

Die Autorin dieses Beitrags

Leila schreibt seit 2014 über Familie, Food und Reisen hier auf Münstermama, und als Kolumnistin der MZ. Als Gründerin des Münsteraner Bloggernetzwerks MünsterBLOGS ist sie aktuell nicht mehr aktiv, begleitet das Netzwerk aber noch immer.

Kategorie: Mamas Stories

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Leila schreibt seit 2014 über Familie, Food und Reisen hier auf Münstermama, und als Kolumnistin der MZ. Als Gründerin des Münsteraner Bloggernetzwerks MünsterBLOGS ist sie aktuell nicht mehr aktiv, begleitet das Netzwerk aber noch immer.

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