Alltagslernen, Papas Stories

Verhindert die Digitalisierung gesundes Aufwachsen?

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Familienleben früher und heute

Wie hat sich das Familienleben seit den, sagen wir 80er-Jahren, verändert? Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, sehe ich viele Parallelen zum Aufwachsen meiner Kinder heute. Meine Söhne spielen sogar noch mit Spielzeug, das ich früher hatte. Hat sich denn gar nichts verändert? Doch. Mein Großer fragt mich gerne, ob es bestimmte Dinge schon in meiner Kindheit gab. Wie ist es mit Kassetten und CDs, Lego und Playmobil, Inlinern und Skateboards, oder Handys und Tablet-Computern? Wenn ich “Nein” sage, ist er ganz erstaunt. Ein Telefon mit Schnur und Drehscheibe oder einen Fernseher mit Röhre hat er noch nie gesehen.

Die voranschreitende Digitalisierung

Die Digitalisierung ist wohl für das private Leben der größte wahrnehmbare Unterschied zu früher. Und der Prozess ist längst noch nicht abgeschlossen. Stichwort: Sprachsteuerung und Smart Home. Ich bin kein Gegner dieser Entwicklung. Ganz im Gegenteil. Ein Teil meines Lebens- und Erfahrungsraumes findet online statt. Und auch meine Kinder haben Kontakt zur digitalen Welt: Sie sehen Kindersendungen in der Mediathek der Öffentlich Rechtlichen und bei privaten Streaming Diensten. Sie besitzen einen TipToi-Stift und sie dürfen hin und wieder mal mit einer App spielen.

Silicon Valley tritt auf die Bremse

Sehr verwundert war ich, als ich in der letzten Zeit vermehrt Berichte und Meldungen über Familien mit kleinen Kindern im Silicon Valley las (z. B. in der Online Ausgabe der New York Times). Ich las von Eltern, die top Positionen in der Software-Industrie besetzen und ihren Kindern sämtlichen Kontakt mit Bildschirmen rigoros verbieten.

Ihr Verbot geht sogar so weit, dass die Nanny einen Vertrag über die Nicht-Nutzung von Bildschirmgeräten (auch ihrer eigenen) bei der Arbeit unterschreiben muss! Von der Schule ganz zu schweigen. Hier sollen auch erstmal keine technischen Geräte zum Einsatz kommen. Waldorfschulen stehen somit hoch im Kurs.

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Was ist da los? Wissen die etwas, von dem wir Normal-Sterblichen nichts erfahren? Wurden in letzter Zeit Smartphones und Tablets mit neuen Funktionen ausgestattet, die offensichtlich gesundheitsschädlich sind?

Ich glaube nicht an Schreckensszenarien. Meine Vermutung ist eine andere. Das Leben mit Kindern ist eine anstrengende, aufregende und vor allem wundervolle Erfahrung. Das Blinken und Leuchten von Bildschirmen und der ständige Zwang zu reagieren, kann diese intensive Erfahrung abschwächen. Erst recht, wenn die Kinder anfangen, sich mehr für ein Display als für das Spiel mit Mama oder Papa zu interessieren.

Bewusst leben

Ist es nicht der Wunschtraum eines jeden Programmierers, Apps zu entwickeln, die schon auf Kleinkinder eine größere Anziehung ausüben, als beispielsweise ein Ballspiel? Nur so lassen sich doch die Umsätze weiter steigern? Ich glaube, hier erkennen viele Softwareentwickler, dass eine rote Linie überschritten wird. Spätestens als Eltern merken sie, dass ihre Kinder vielfältige Erfahrungen mit realen Menschen und mit der Natur zum gesunden Großwerden brauchen. Eine VR-Brille kann das nicht leisten.

Die Sehnsucht nach beziehungsstiftenden und naturnahen Erfahrungen ist da am größten, wo sie am meisten bedroht ist. So gesehen ist die allergische Reaktion auf alles Digitale verständlich.

Ein gutes Beispiel, dem wir folgen sollten?

Was bedeutet das für mich und meine Familie hier in Münster? Längst wurden die Berichte über die kalifornischen Tech-Familien von Medienkritikern aufgegriffen. Motto: Die wissen doch am besten, was sie selber produzieren. Wenn sie es ihren Kindern nicht geben, kann es auch nichts Gutes für unsere Kinder sein!

Auch hier denke ich, dass die Dinge etwas anders liegen. Mein Familienleben lässt sich nicht mit dem einer hochbezahlten Tech-Familie in den USA vergleichen. Es eignet sich für mich nicht als Vorbild. Ich möchte auch gar nicht, dass meine Kinder auf eine private Waldorfschule gehen. Die öffentliche Schule hier im Ort ist besser für meine Kinder. Das mag in den Staaten anders sein.

Und auch sonst haben meine Kinder viel Freizeit gemeinsam mit meiner Liebsten und mir. Freizeit, in der wir am allerwenigsten passiv auf einen Bildschirm schauen. Ich sehne mich nicht nach echten Erfahrungen und Erlebnissen mit meinen Kindern, weil ich sie schon habe. Digitale Medien stellen für uns keine Bedrohung dar. Ganz im Gegenteil. Sie können richtig genutzt unseren Erfahrungsraum erweitern und unsere Kreativität fördern.

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Gesunde Mediennutzung ist möglich

Natürlich müssen wir darauf achten, dass die Balance zwischen offline und online in unserer Familie bestehen bleibt. Die Verantwortung für ein gesundes Aufwachsen mit digitalen Medien liegt bei uns Eltern. Auch die schulische Bildung muss ihren Teil dazu beitragen.

Ich möchte hier keine Maßstäbe setzen, welche Bildschirmzeit denn jetzt angemessen ist und welche Sendungen oder Apps ok sind. Das muss jeder für sich und seine Kinder entscheiden. Der gesunde Menschenverstand warnt uns, wenn eine rote Linie überschritten wird. Davon bin ich überzeugt. Bei den Technik-Nerds in Cupertino, Menlo Park und auf Mountain View hat es jedenfalls geklappt. In der jetzigen Dramatik und Vehemenz für mich jedoch etwas zu Hollywood-lastig.

Die Autorin dieses Beitrags

Der Münsterpapa David ist Vater von zwei Jungs (*2012 und *2015) und seit über 10 Jahren Grundschullehrer und Medienpädagoge im Münsterland.