Mir gehen die ganzen Corona Themen langsam auf den Keks. Wenn es euch ähnlich geht, hier ein Text, bei dem es um meine Kokosnuss-Münsteraner geht, der schon länger in den Entwürfen schlummert.
Vor einigen Jahren schrieb mir eine Leserin, dass sie und ihr Mann nach Münster gezogen sind und sie hier aber gar nicht den Ort findet, von dem ich so gerne schwärme. Sie schrieb:
„Die Menschen in Münster erscheinen mir kalt und distanziert. Jeden Morgen grüße ich auf dem Weg zum Kindergarten die Nachbarn und anderen Mütter und kaum jemand grüßt zurück. Einige gucken mich sogar böse an, als wenn mein Guten Morgen ein Angriff wäre.“
Ich muss noch immer schmunzeln, wenn ich an diese E-Mail denke. Meine Mutter schimpfte 35 Jahre zuvor über ähnliches Verhalten, als wir klein waren. Es gab sogar einen Nachbarn, der konnte es erst nach 5 (!) Jahren über sich bringen, meine Mutter zurück zu grüßen.
Jetzt könnte man meinen, die Münsteraner wären tatsächlich unfreundlich oder distanziert. Aber für mich ergibt dieses Bild vom sturen, dickköpfigen, kalten Westfalen einfach keinen Sinn. Ich kenne keinen einzigen, bei dem ich diese Adjektive unkommentiert stehen lassen könnte.
Warum also empfinde ich die Menschen hier als sympathisch, angenehm und liebenswert und meine Mutter, oder diese Leserin und sicherlich einige andere Zugezogene nehmen das ganz anders wahr?
Eine naheliegende Erklärung wäre die alte Redewendung „Wie man in den Wald hineinruft, schallt es wieder hinaus.“ Doch das wäre zu einfach. Außerdem bin ich mir sicher, meine Leserin hat ebenfalls erst freundlich und offen versucht Kontakte aufzubauen, bevor sie frustriert genug war, um mir ihr Herz auszuschütten.
Natürlich kenne ich auch Situationen, in denen ich mit meiner manchmal forschen, offenen und neugierigen Art angeeckt bin. Situationen in denen mir mein Gegenüber eher misstrauisch Oberflächlichkeit oder sogar Falschheit unterstellte. Männer neigen manchmal auch dazu, es als Flirt zu verstehen, wenn eine Frau einfach aufgeschlossen ist und im Gespräch Blickkontakt hält. Tatsächlich bemerke ich sowas meist zu spät, sonst würde ich mich eher zurücknehmen. Doch hin und wieder hat meine Naivität auch etwas Gutes, denn ich nehme mir die schroffe Schale nicht so zu Herzen. Ihr versteht gleich, was ich damit meine…
Mein Onkel, der damals mit seinen kleinen Söhnen in der Nähe von San Francisco lebte, war mit dem Teenager-Mädchen, welches den Sommer bei ihm verbrachte, leicht überfordert. Eines Nachmittags nahm er sich die Zeit ganz allein mit mir shoppen zu gehen. Das mögen alle Teenager, dachte er wohl. Ich war semi-begeistert. Natürlich war es schön mal ohne „die Kleinen“ etwas mit ihm zu unternehmen, aber shoppen war noch nie meins. In der Mall fühlte ich mich dann an jeder Ecke von den breit grinsenden, kalifornischen Verkäuferinnen bedrängt.
„How do you do?“
„I’m Karen, call me when you need anything.“
„Have a nice day!“
„Can I help you, Miss?“
„Oh, you’re from Germany, how long are you staying?“
Was wollten die bloß alle von mir?
„Typisch deutsch“ fühlte ich mich diesen schmierigen, grinsenden Damen um Welten moralisch überlegen. Dieses ganze Gesäusel stinkte doch zum Himmel! Ich hielt es nicht lang aus und piesackte meinen Onkel mit einer Diskussion um die Falschheit der Amerikaner. Natürlich musste ich das alte Klischee des amerikanischen Pfirsichs heranziehen, der äußerlich sanft, saftig und süß aber im inneren steinhart und undurchdringlich ist. Die Deutschen dagegen sind ja eher wie eine Kokosnuss. Außen rauh und man muss ein wenig bohren, aber schafft man es durch die schroffe Schale, wird es süß und ganz besonders. Das sei doch viel echter und wahrhaftiger!

Ich kann mich, als wäre es heute, an das laute Lachen meines Onkels erinnern und daran, dass ich damals im Auto auf der Rückfahrt von unserem kleinen Shoppingtrip auf meine neuen Schuhe starrte, während in mir ein Licht nach dem anderen anging.
Was er gesagt hat, um bei dem bockigen Teenager ein wenig mehr Weltverständnis zu erwirken?
Er erzählte von seiner Ankunft in Kalifornien. Da er vorher im ländlichen Illinois lebte, wo die Menschen den Münsterländern ähnlicher sind als den Kaliforniern, war es damals auch für ihn ein Kulturschock. Doch in den USA ziehen jährlich 15% der Bevölkerung um, in Deutschland sind es gerade mal ca. 5 %. In vielen Ländern und Regionen gehören Umzüge, Immigration und Völkerwanderungen zur Geschichte. Und unsere Geschichte formt die Gepflogenheiten unserer Gesellschaft.
Während man in Kalifornien von Anfang an damit leben musste, ständig neue Nachbarn zu haben und die lebhafte Urbanität durch Schmiermittel wie Humor, Rücksichtnahme und Höflichkeit erst möglich wurden, bietet das Münsterland einen krassen Gegensatz dazu. Hier lag schon immer zwischen den einzelnen Höfen und Gestüten viel Land und neben den Kiepenkerlen streiften eher selten fremde Gestalten über die Landstraßen. Vorsicht und Misstrauen vor Fremden war hier die gesündere Strategie für ein sicheres Überleben. Geschichtlich bräuchte ich hier Nachhilfe, doch ich könnte mir vorstellen, dass selbst in der Stadt Münster erst mit der Universität neue Gesichter und Menschengruppen auftauchten und langsam das Stadtbild weiterentwickelten.
Die Geschichte der San Francisco Bay Area unterscheidet sich so erheblich von der des Münsterlandes, da sollte es kein Wunder sein, dass die Gesellschaften verschiedene Wege der Kommunikation eingeschlagen haben.
„Deine Kokosnüsse gemischt mit meinen Pfirsichen ergeben doch einen prima Obstsalat, meinst du nicht?“ lachte mein Onkel und ringte damit sogar der miesepetrigen Teenagerin ein Lächeln ab.
Ich mag die Kokosnuss nach wie vor
Nun bin ich hier im Münsterland aufgewachsen und halte meine münsterländischen Freundschaften für besonders wertvoll. Denn es ist wahr: Im Kern sind die Menschen hier unglaublich süß und besonders. Aber in den Worten meiner Leserin war wohl auch ein Fünkchen Wahrheit. Ich kann nicht leugnen, dass man eine Weile an den meisten Münsteranern rumbohren muss, bevor sie sich öffnen.
Ich empfinde diese Art auch weiterhin als positiv, denn wenn man bodenständig, treu, hartnäckig und ausdauernd ist, bedeutet es eben auch, nicht direkt weiter zu ziehen, wenn einen mal etwas nervt. Dafür braucht es eine robuste Schale und ein gutes Herz.
Mit diesem Wissen ändere ich mein Verhalten auch nicht oder fühle mich zurückgewiesen, wenn jemand sich nicht direkt öffnet. Meist fällt mir das sogar erst im Nachhinein auf, wie ich oben schon erwähnte. Ich mag die Münsteraner Kokosnuss und sie passt ganz hervorragend zu Pfirsichen, Ananas und etlichen anderen Obstsorten der Welt. Versprochen!
Finden übrigens auch meine Münsterblogger Kollegen…
Bei Maike und Jutta gibt es Pfirsich-Kokos Pies.
Michael hat eine Pfirsichtorte mit Kokoscreme gebacken.
Lisa bringt mutig Äpfel mit Kokos in einem Kuchen zusammen.
Selbst Kirschen passen laut Denise hervorragend zur Kokosnuss.
Die Foodistas sind trendy as ever und bringen Dalgona Coffee mit Kokos in Verbindung.
Genevieve zeigt gleich sechs Mal, wie gut ihr die Kokosnuss schmeckt.
Juli ist und bleibt die Erdbeerqueen!
Natürlich ist dieser Text verallgemeinernd und oberflächlich. Mir steht es nicht zu, jemanden anhand seines Wohnorts zu charakterisieren. Zumal all dies auch auf viele Menschen hier und dort gar nicht zutrifft. Vielleicht lest ihr den Text mit einem Augenzwinkern, als Abwechslung zu den ewigen Corona-Diskussionen, oder zum Einschlafen. In jedem Fall:
Habt es schön!
Die Autorin dieses Beitrags
Leila schreibt seit 2014 über Familie, Food und Reisen hier auf Münstermama, und als Kolumnistin der MZ. Als Gründerin des Münsteraner Bloggernetzwerks MünsterBLOGS ist sie aktuell nicht mehr aktiv, begleitet das Netzwerk aber noch immer.